Gedankensplitter

27. Jänner 2022 - Viele Menschen glauben, wir Langzeitsegler laufen vor Problemen davon. Mitnichten. Wir wählen bloß andere.

Wir wollen keine Papierkram-, Verkehrs-, Haus/Wohnungs- oder Politisch-Korrektheits-Probleme, sondern schlagen uns lieber mit Wind und Wetter herum oder damit, welche Bootsreparatur ansteht oder in welche Richtung wir segeln sollen.

Gelegentlich frage ich mich, ob es nicht nur Einbildung ist, dass wir vor drei Monaten noch in Kanada und erst vor einem Jahr in den Austral Inseln segelten. Oft zwinge ich mich aus Erinnerungen auszusteigen, denn sie stülpen mein Innerstes nach außen. Zeit vergeht, verschwindet. Und eigentlich ist das ja ein alter Hut: Nach einer langen Reise fällt es schwer, sich wieder im Alltag zurechtzufinden. Man verspricht sich jedes Mal aufs Neue, das Landleben etwas anders zu gestalten, diesmal das Beste aus beiden Welten zu machen. Aber nach ein paar Wochen in Österreich haben wir diesen Vorsatz schon wieder vergessen. Einerseits werden wir von den kleinen Monstern des Alltags aufgefressen und andererseits liegen unsere Live-Auftritte Pandemie bedingt „auf Eis“. Manchmal fühlen wir uns wie aus der Welt gefallen. Vieles hat sich in den vergangenen zwei Jahren verändert. Covid gehört schon so sehr zum Alltag, dass es schwer fällt zu glauben: Es könnte bald wieder anders werden.

Egal, wie man es sieht. Wir brauchen einander. Wir alle auf der Erde brauchen einander. Wir geben alle etwas, und wir nehmen alle etwas. Das liegt in unserer Natur. Das Kielwasser, das wir hinterlassen, löst sich schneller auf als wir annehmen. Die Welt da draußen ist groß, und wir sind, aller Wahrscheinlichkeit nach, nur einmal hier. Darum sollten wir das Leben feiern und zelebrieren. Und in jedem Fall ist Hoffen besser als Fürchten.

oben: Melanie Cove, Desolation Sound, British Columbia, Kanada / unten: am Gipfel vom Stuhleck, 1782m, Fischbacher Alpen