Abreiseblues

15. März 2022 - Merkwürdig gedrückte Stimmung beim Frühstück. Wir haben viel zu erledigen und dafür zu wenig Zeit. Typische Hektik vor der Rückkehr zum Boot.

Abreiseblues. In nur vier Wochen fliegen wir bereits nach Kanada, zurück zu unserem schwimmenden Zuhause. Die Gedanken federn hin und her zwischen dem, was in den letzten Monaten passiert ist und dem, was auf uns wartet. Unser Aufenthalt in Österreich verflog in Windeseile. So viele Momente, die uns lange noch beschäftigen werden, so vieles, das wir zu verarbeiten haben. Nun aber geht es zurück zu Nomad. Ein Ziel, das unsere Augen zum Leuchten bringt, ein Ziel, das einen wunderbaren Klang verströmt.

Der schreckliche Krieg in der Ukraine, Corona, Klimawandel – all das fühlt sich zurzeit wie eine Weggabelung an, ein Urknall, Ende der alten und Anfang der neuen Zeitrechnung. Ist unsere Zivilisation an ihre Grenzen gestoßen? Entgleitet uns die Welt? Meine Generation ist im Reichtum aufgewachsen, wir essen warm, wann immer wir wollen, es ist alles zur Hand, wann immer wir wollen. Und nie, nie, nie hätte ich geglaubt, dass es je wieder zu einem Krieg in Europa kommen könnte. Passt nicht hierher. Unmöglich, allein der Gedanke.

In den besten Momenten ist Schreiben für mich wie Seelensurfen. Gedanken sind Wellen, manche brechen hart, die meisten laufen harmlos aus, wenige schäumen. Mitunter ist die See arg aufgewühlt, dann wieder vollkommen unbewegt. Und manchmal trifft man sogar auf eine beständige Woge, die Format und Kraft zeigt und dich nicht abwirft, sondern mitnimmt. In solchen Augenblicken bin ich schnell wieder die Gedankenlose, die Gewissenlose. Die Genießerin, die nichts dabei findet, etwas Besonderes aus jedem Tag zu machen. Wie letztes Wochenende, als wir mit Herzensfreundin Ingrid zwei traumhafte Skitouren unternahmen. Auf über 2.000 Meter Höhe spürt sich einfach alles besser an.

Zuhause angekommen, werden wir überrascht: Das Paket mit den Hydraulikschläuchen für unsere Nomad liegt vor der Tür, und Christian Hager von Raudaschl Sails erzählt am Telefon, dass unser neues Großsegel bereits genäht wird. Und plötzlich wirkt die Welt auf mich wieder überraschend vertraut, und ich denke mir: „Es geht irgendwie weiter.“

Abfahrt von der Tockneralm, 2357m