Aus Fatu Hiva

19. März 2021 - Fünf Tage, 600 geloggte Seemeilen, eine gemütliche Schleichfahrt von den Tuamotus zu den Marquesas, von Fakarava nach Fatu Hiva.

Manchmal dröhnt der Motor und hilft uns mit dem Vorankommen. Die Umrisse von Fatu Hiva, der spektakulärsten und südlichsten Insel der Marquesas, erkennen wir bereits von 30 Seemeilen Entfernung. Dennoch schaffen wir den Landfall nicht mehr bei Tageslicht. Stattdessen fällt der schwarze Samtvorhang der Tropennacht bei unserer Ankunft über Omoa, einer der beiden Inselorte. Am nächsten Morgen wird uns wieder bewusst, wofür die Marquesas bekannt sind: für ihre schroffen Steilküsten, für ihre wilde Schönheit und für ihre schrecklich schaukeligen Ankerplätze. Gleich beim ersten Landgang lernen wir Noel kennen, der uns Grapefruits und Gurken aus seinem Garten schenkt. Am Nachmittag sollen wir wiederkommen, meint er, dann gehen wir gemeinsam Papayas und eine Staude Bananen holen. Die Menschen hier lächeln sich in einen hinein, das ist herrlich ansteckend. Diese Leichtigkeit des Lächelns.

Tags darauf ankert die Aranui hinter uns, jenes legendäre Versorgungs- und Kreuzfahrtschiff, welches im zwei Wochen Takt von Papeete aus den Archipel abklappert. Derzeit befinden sich statt 200 nur 20 einheimische Gäste an Bord, da wegen Pandemie bedingter geschlossener Grenzen keine ausländischen Touristen nach Französisch Polynesien kommen dürfen. Die Besatzung der Aranui fährt mit Landungsbooten zum betonierten Kai und lädt und löscht. Derweil stellen die Einheimischen im Kulturzentrum von Omoa ihr Kunsthandwerk aus. Zwei junge Frauen singen, tanzen und schwenken ihr langes Haar zu traditionellen Ukulele-Klängen. Ein Festtag im entlegenen Omoa.

Als der Schwell vor Omoa unerträglich wird, verholen wir uns in die drei Seemeilen entfernte Hanavave Bucht, der Sehnsuchts-Ankerplatz der Südsee. Schon von weitem sehen wir Rauchschwaden am Himmel und milchiges Licht über der Insel. Hinten im Tal brennt der Busch, Russflankerln fliegen durch die Luft. Als wir in die Jungfernbucht biegen, sehen wir wie das Feuer einen Hügel hinaufkriecht. Die tiefstehende Sonne taucht die Basaltfelsen in rotes Licht, neben unserem Boot schwimmen Mantas, an Land züngeln Flammen. Was für eine unheimliche Stimmung! Während der Nacht legt sich Ascheregen auf unser Deck. Von den Locals hören wir die unterschiedlichsten Meinungen, wie es zu der Katastrophe kam. Wahrscheinlich geriet ein Lagerfeuer von Kopra Arbeitern außer Kontrolle. Der Wind und die außergewöhnliche Trockenheit entfachten blitzschnell einen riesigen Brandherd. Feuerwehr gibt es hier keine. Man lässt den Dingen ihren Lauf. Gott sei Dank wurde niemand verletzt und kein Haus niedergebrannt, nur einige Gärten und Plantagen erlitten Schäden.

Bei unserem letzten Besuch vor neuen Monaten lernten wir Temo und seine Frau Hei kennen. Die beiden lebten vor Corona von den Aranui Touristen. Temo kutschiert Gäste (auch Segler) mit dem Auto die steile Piste von Hanavave nach Omoa und wieder retour. Weiters schnitzt er Skulpturen, und Hei fabriziert Tapa. Derzeit kämpfen sie mit existenziellen Problemen, keine Touristen, kein Geld. Ihre beiden Söhne stecken noch in der Ausbildung, der Ältere studierte Tourismus in Costa Rica, musste aber wegen Corona sein Studium abbrechen. Temo meint, er fühle sich mürbe wie ein altes Baguette. Aber er sagt auch, dass sich die Marquesaner an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen können.

Wir laden Temo und Hei zu uns an Bord auf Kaffee und Papayakuchen ein. Als Temo die Kajüte besichtigt, bleibt sein Blick auf unserer Tiki-Maske hängen, die wir vor 16 Jahren in Hiva Oa erstanden. „Die habe ich geschnitzt“, meint er grinsend. Ich denke an einen Scherz. Wolfi inspiziert die Unterseite der Maske und kann es nicht glauben. Dort ist tatsächlich TEMO eingeritzt! Unfassbar, somit ist Temos Maske mit uns um die Welt gesegelt. Und wieder schließt sich ein Kreis. Als Reisende tauchen wir in fremde Welten ein. Manchmal für Tage, manchmal für Stunden, manchmal für einen Wimpernschlag, ein Lächeln, ein Wort oder die Herkunft einer Maske.

 

Tipps:

Omoa: Herrlicher Spaziergang entlang des Talbodens, der vom Meer in die Berge führt, man folgt der Hauptstraße entlang der Wasserleitung und kommt an Gärten und Plantagen vorbei.

Im Dezember 2021 findet in Omoa das Marquesas Festival statt, das alle zwei Jahre auf einer anderen Insel abgehalten wird. Hinsegeln und zuschauen!

Wander-Klassiker: Der ca. 17 Kilometer lange, teils asphaltierte Fahrweg zwischen Hanavave und Omoa, Dauer vier bis fünf Stunden; retour entweder per Boot oder man lässt sich von Temo mit dem Pick-Up abholen.

Wem diese Wanderung noch zu wenig ist, der kann von der Passhöhe auf einem teils verwachsenen Weg quer Insel zum verlassenen Dorf Ouia an die Ostküste von Fatu Hiva gehen. Aber das ist eine andere Geschichte und an einem Tag nur schwer zu schaffen.