Tahiti, mon amour

29. September 2020 - Was von Papeete unverzüglich haften bleibt, sind die Widersprüche. Laut, schmuddelig, ein hupendes Verkehrschaos verknüpft mit französischer Nonchalance, schicken Geschäften und immer noch lächelnden Menschen.

Nach drei Monaten in den Tuamotus, nach einer Welt der Kargheit, kommt uns die Stadt überbordend, schrill und hektisch vor. Finden einen Platz in der zentral gelegenen Stadtmarina, wo die Liegeplätze derzeit nur den halben Preis (für unser Boot 20 Dollar pro Tag) kosten, da Duschen und Toiletten noch nicht fertig gestellt sind. Wir erledigen unzählige, längst fällige Besorgungen, lassen uns von Tahiti Sails einen neuen UV-Schutz auf die Genua nähen und mieten für ein paar Tage ein Auto. Seit unserem ersten Besuch 1995 hat sich die Infrastruktur für Segler in Französisch Polynesien kaum verändert. Es sind zwar etwa zehnmal so viele Boote als vor 25 Jahren unterwegs, aber es gibt kaum Liegeplätze und ankern wird in den Gesellschaftsinseln immer schwieriger. Restriktionen, Ankerverbote, Unstimmigkeiten mit den Einheimischen machen das Seglerleben nicht einfach. Unser Segelmacher, der seit einigen Jahren in Tahiti lebt, erklärt das so: „Die Polynesier leben fürs Heute. Ein kleines Haus, ein kleines Boot. Mehr nicht. Man geht fischen und trifft am Wochenende die Familie. An großen Investments oder Geschäfte machen, ist hier niemand interessiert.“ Auf der Nachbarinsel Moorea soll seit 10 Jahren die permanent volle Marina von Vaiere vergrößert werden, aber das Projekt wird immer wieder verschoben. Neu für uns ist auch die Tatsache, dass es in der Hauptstadt Obdachlose gibt. Dieses Bild kennen wir von früher nicht. Anscheinend stranden Menschen von abgelegenen Inseln in Papeete, verlieren den traditionellen Rückhalt der Familien und leben nun auf der Straße. Traurige Tropen.

In Österreich sind die Berge immer ganz nah. Am Bootsleben vermisse ich echtes Wandern, die Kraft, die jeder Schritt kostet. Daher nutzen wir die Möglichkeiten in Tahiti und trainieren unsere Seglerbeine. Einmal googeln, und man kann sehen: Tahiti ist von Korallenriffen umgeben, gesäumt von schwarzen Palmenstränden und im Landesinneren ragen schroffe, von tropischen Regenwald überwucherte Inselgebirge mit über 2000 Metern in den Pazifikhimmel. Bei unserer Inseltour mit dem Auto kommt mir Tahiti überfüllt vor, wahrscheinlich weil sich die gesamte Bevölkerung an die Ränder der circa 110 Kilometer langen Küstenstraße drängelt. In Port Phaeton, am Isthmus der Groß-Tahiti und Klein-Tahiti wie eine geschnürte Taille miteinander verbindet, treffen wir Veronika und Wolfgang Wappl; alte Segelfreunde, die bereits dreieinhalb Mal um die Welt geschippert sind. Mit ihren Fahrrädern stehen sie am Straßenrand und beobachten, wie ihre Elan 41, die sie soeben verkauft haben, durch die Lücke im Riff verschwindet und Kurs auf Neukaledonien nimmt. Ein bewegender Moment, denn die beiden verabschieden sich vom Seglerleben und schlagen ein neues Kapitel auf. Das Cruisen, so wie sie es von früheren Reisen kennen, ist anders geworden und für sie nicht mehr interessant. Wenige Tage später sitzen sie im Flieger zurück nach Europa. Und wir? Neuseeland öffnet dieses Jahr definitiv nicht mehr seine Pforten. Also halten wir weiterhin die Stellung in Französisch Polynesien, auch während der kommenden Hurrikan-Saison, die am 1. November beginnt. Wollen in den nächsten Monaten Kreise durch diese riesige Inselwelt im Südpazifik ziehen. Als einzige Alternative bleibt Mexiko, das immer noch seine Grenzen offen hält, sogar für Segler. Das würde aber bedeuten, 3.000 Seemeilen im Zickzack gegen den Wind zu segeln. Ob wir dazu Lust und Kraft haben? Tja, in Zeiten begrenzter Reisemöglichkeiten darf man nicht wählerisch sein. Und wer weiß schon, ob es in Mexiko wirklich besser wäre?

Wandertipps Tahiti:

Fautaua Tal: Nur sechs Kilometer vom Hafen Papeete entfernt beginnt hinter dem Wasserwerk ein Wanderweg, der sich nach einer guten halben Stunde teilt: links über die Brücke (zurzeit offiziell gesperrt) zum Belvedere und zu den Ruinen des Forte de Fachoda. Von dort steil rechts hinunter zu den Pools am Kopf des Wasserfalls. Oder man geht am Talgrund weiter, leider verliert sich der Weg, der ein paar Mal das Bachbett quert und man braucht Pfadfinderqualitäten, um den Wasserfall zu finden. Beide Wanderungen: ca. drei Stunden hin und retour.

Lac Vaihiria: Mit dem Auto entlang der Südküste von Tahiti Nui bis Mataia, bei Kilometer 47,5 abbiegen und ca. drei Kilometer ins Tal hinein fahren, das Auto kann man bei der ersten Brücke parken. Von hier folgt man einer Forststraße (auch mit 4WD oder Mountainbike befahrbar) ca. 10 Kilometer bis zum See Vaihiria. Dauer: ca. vier – fünf Stunden hin und retour. Die Wanderung ist Teil der bekannten Inseldurchquerung von Mataia nach Papenoo an der Nordküste.