Inselrunde

11. Mai 2020 - Endlich wieder unterwegs! Wie lange ist es her, dass wir das Großsegel setzten? Unglaubliche 49 Tage!

Nomad muss erst wieder in Schwung kommen. Gleich zu Beginn steckt die Logge, obwohl wir sie gestern extra ausbauten und reinigten. Ein Segelboot ist wahrlich nicht zum Stillliegen im Hafen gebaut. Als wir die Genua ausrollen und durch den Canal du Bordelais rauschen, ist das mühevolle Anker-auf-Manöver von Atuona bereits vergessen. Vor allem der Heckanker hielt wie einbetoniert. Keine Chance, ihn per Hand ins Dingi zu hieven, stattdessen mussten wir die Ankerleine zum Bug zerren und mit der Winde den Aluminium Fortress-Anker ausbrechen. Schlamm überall, eine furchtbare Sauerei, mit hunderten Kübeln Seewasser spüle ich das Deck sauber, werde die Plackerei noch lange im Kreuz spüren.

Erkenntnis 1: Mein Körper wird in absehbarer Zeit nicht mehr jünger. Ich kann zum Beispiel die Brücke nicht mehr machen, früher bog ich meinen Rücken wie einen Torbogen durch. Heute versuche ich das erst gar nicht, denn ich bin so steif wie ein Besenstiel.

Am Cap Kiukiu, am westlichsten Zipfel von Hiva Oa ist dann auch Schluss mit lustig, der Wind kommt genau von vorne. Wir werfen den Motor an und laden unsere Batterien, die, obwohl erst in San Francisco neu gekauft, im unteren Voltbereich dahingrundeln. Wahrscheinlich tut die Tropenhitze den drei aufs Deck geklebten Solarpanelen nicht gut, in der Kälte haben sie viel besser gearbeitet. Gutmütig schaufelt sich Nomad die Nordküste entlang bis zur weiten Bucht von Hanaiapa. Ein kleines Dorf hinterm palmengesäumten Strand, ein Flecken wie aus einem Südsee-Bilderbuch. Am Himmel segeln Fregattvögel. Holzhäuschen mit Wellblechdächern liegen versteckt hinter Bananenstauden, Hibiskushecken und Bougainvilleen. Die Natur zeigt sich so großzügig, dass es an Verschwendung grenzt. Unter einem Grapefruitbaum liegen reife Früchte: Niemand hebt sie auf.

Erkenntnis 2: Wieder segeln zu dürfen – wenn auch nur um die Insel Hiva Oa - fühlt sich fantastisch an. In manchen Momenten vergesse ich sogar die ganze Coronavirus-Katastrophe und versuche so zu tun, als wäre nie was passiert.

Nach zwei Tagen ziehen wir weiter in die Nachbarbucht Hanatekuua. All diese Namen mit den vielen zauberhaften Vokalen! Der Ankerplatz ist erfüllt von Bewegung, die allgegenwärtige Pazifikdünung lässt Nomad wild hin- und herschwanken. Dafür lockt ein weißer Sandstrand, wenn man den Ritt durch die Brandung schafft. Wir rudern entweder mit dem Beiboot oder paddeln zu zweit am SUP sitzend durch die schäumenden Südseewellen. Die Einheimischen, die das lange Wochenende hier verbringen, beobachten uns neugierig. Alle lachen, als wir pitschnass und sandig anlanden, und weil die Welt im Augenblick verrückter nicht sein kann. Sie selber verankern ihre Motorboote und Auslegerkanus im seichten Wasser und schwimmen an Land.

Erkenntnis 3: Die Marquesas sind keine Schmuseflecken mit türkisblauen, sanften Lagunen, sondern schroffe Festungen in der brodelnden Brandung des Pazifiks. In Europa und dem Rest der Welt geht die Post ab, und wir sitzen in der Südsee fest. Extrem weit entfernt von allem. Seit bald drei Monaten leben wir auf diesen Covid-19 freien Inseln wie in einer Blase und können uns kaum vorstellen, was sich außerhalb unserer Welt wirklich abspielt. Aber Grenzen verschieben sich. Jetzt sind wir hier. Wo werden wir in ein paar Wochen sein? Oder in einem Jahr?

Vor Anker in der Baie Hanatekuua