Über Entscheidungen

19. November 2020 - Wir müssen uns entscheiden. Auch so ein Thema in diesem seltsamen Corona-Jahr: Entscheidungen. Sollen wir von Tahiti gen Süden zu den Austral Inseln segeln oder lieber zurück zu den Tuamotus?

Das Wetterbericht-Orakel hilft in der Wegfindung: Wir halten nach Norden, 170 Seemeilen sind es bis Makatea, ein sogenanntes „gehobenes Atoll“, das nach der Riffbildung 100 Meter aus dem Meer gehoben wurde. Hart am Wind stampfen wir unserem Ziel entgegen. Flotte Nachtfahrt in Schräglage. Drei Mooringbojen liegen vor dem Minihafen an Makateas Westseite und zum Glück wird knapp vor unserer Ankunft eine frei, denn Ankern auf dem steil abfallenden Riff wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Wir schaukeln heftig auf offener Reede, aber einen besseren Platz gibt es nicht. Von 1908 bis 1966 wurde hier Phosphat abgebaut, die Ruinen der ehemaligen Verladestelle ergeben ein bizarres Bild. Derzeit herrscht reges Treiben im winzigen Hafen von Makatea, das Becken wird ausgebaggert und vergrößert, Yachten werden aber auch in Zukunft keinen Unterschlupf hier finden.

2018 hat unser französischer Freund Erwan Le Lann, den wir in Grönland kennen lernten, hier ein Kletterprojekt ins Leben gerufen. Über 100 Routen wurden in Klippen und Felsen gebohrt. Den Kletterführer Makatea Vertical Adventure gibt es zum Download auf www.maewan.com oder auf Instagram @maewanadventurebase! Schon lange freuen wir uns darauf, endlich rauen Fels in den Händen zu spüren. Dann die große Enttäuschung: Seit unserer Abfahrt von Tahiti fühlen wir uns beide miserabel. Halsschmerzen, erhöhte Temperatur, Schnupfen, Verminderung des Geruch- und Geschmacksinns. Keiner von uns beiden wagt auszusprechen, was er denkt: Ist es nur eine Erkältung oder doch Corona? Unser Landgang dauert nur eine knappe Stunde, wir weichen den Einheimischen aus und spazieren zu den fantastischen Steilabbrüchen. Die blitzenden Bohrhaken scheinen uns zu verhöhnen, wir fühlen uns so schlapp, dass wir schleunigst wieder zum Boot zurückkehren.

Einen Tagestörn entfernt liegt Tikehau, Rangiroas kleine Nachbarin. An der Westseite des ovalen Atolls befindet sich der seichte Passe de Tuheiava, die einzige Öffnung im Riff. Einlaufender Strom und Gegenwind erzeugen Tiderips, kommen ohne Probleme durch den Pass und ankern gleich nördlich davon. Die typische Atoll-Schnitzeljagd beginnt: Dort, wo wir gerade ankern, bläst der Wind oft auflandig und hetzt uns durch die Lagune auf der Suche nach einem ruhigen Platz. Und den brauchen wir wirklich, um uns auszukurieren. Das Leben verlangsamt sich, die Stunden treiben dahin, oft weiß ich gar nicht, was ich den ganzen Tag über so gemacht habe und nur langsam kehren die Energien wieder zurück. Jedenfalls sind wir jetzt wieder voll drin, im Slow-Motion-Atoll-Modus.

Tikehau bietet den Luxus eines 4G-Netzes und in der Phase unserer Selbstisolation, wo wir Menschen aus dem Weg gehen, hängen wir viel im Internet. Laden uns Zeitungsartikel runter, um zu wissen, was außerhalb unserer Atoll-Welt passiert. Stehen mit anderen Seglern in Verbindung. Hören von Riggproblemen auf der Artemis und auf der Adventure, wissen, dass Mikado und Pakia Tea in Tubuai ankern und bestärken die Bella-Crew zum Kauf eines anderen, größeren Schiffes. Über WhatsApp-Telefonate halten wir Kontakt mit Freunden zuhause und immer wieder lesen wir aufmunternde Kommentare in den sozialen Medien. „Ihr seid im Paradies!“ „Bleibt, wo Ihr seid!“ „Genießt die Zeit!“ „Wir wären auch gerne in der Südsee.“ Trotzdem frage ich mich öfters: Ist es wirklich das Richtige, was wir tun? Ist es klug, die Hurrikansaison hier zu verbringen? Eigentlich wollten wir nie so lange in Französisch Polynesien bleiben. Und sind doch seit Ende Februar bereits hier. Angepasst an die weltweite Covid-Situation versuchen wir, das Beste aus jedem Tag zu machen. Der Strand, an dem wir heute Morgen unsere Yoga Übungen praktizierten, sieht aus wie eine wahr gewordene Postkarte. Weiß-rosa Sand, türkis glitzerndes Meer, überhängende Palmen, Horizont ohne Ende. In solchen Momenten weiß ich, dass wir uns richtig entschieden haben.

Unsere Ankerplätze im Tikehau Atoll:

Nördlich vom Pass Tuheiava:

15 Grad 00,381´Süd + 148 Grad 16,268´West, sechs Meter Wassertiefe

Beim Pearl Beach Resort:

15 Grad 06,15´Süd + 148 Grad 11,87´West, vier Meter Wassertiefe, Sandgrund

Bird Island / Motu Puarua:

14 Grad 58,479´Süd + 148 Grad 05,957´West, acht Meter Wassertiefe, hunderte Vögel nisten an Land

Eden:

15 Grad 05,39´Süd + 148 Grad 10,99´West, vier Meter Wassertiefe, Sandgrund