Alles Mango

9. März 2020 - Anaho ist atemberaubend schön und mein Lieblingsplatz auf Nuku Hiva. Einsame, sandige Palmenstrände,

steile Bergmassive, die wie Drachenzähne aus dem Urwald ragen, mystisch. Die sichelförmige Bucht ist erfüllt von Drama und Bewegung. Acht andere Boote ankern und schaukeln mit uns am luftigen Ankerplatz. Wir sind übrigens in der Südsee, auf den Marquesas Inseln, sechs bewohnte und ein paar unbewohnte Eilande, die zu Französisch Polynesien gehören. Gestirne in einem Himmel, der ein Ozean ist. Ihre Namen klingen wie ein Zauberspruch: Nuku Hiva, Ua Huka, Ua Pou, Hiva Oa, Tahuata, Fatu Hiva.

Natürlich wusste ich im Vorfeld, dass wir in der Südsee nicht mehr frieren werden. Doch zwischen dem abstrakten Bewusstsein „Es wird heiß sein“ und der tatsächlich erlebten Erschöpfung klafft eine tiefe Kluft. Nie hätte ich mir vor wenigen Wochen im kalten Kalifornien auch nur annähernd vorstellen können, dass ich mich verschwitzt, sonnenverbrannt und völlig gerädert von der Cockpitbank zum Kühlschrank schleppen werde, um ein Glas kaltes Zitronenwasser nach dem anderen in mich reinzuleeren. So geht es mir hier jeden Nachmittag. Auf unserem Schiff liegt dann eine unbeschreibliche Hitze, die alles Leben zu ersticken droht. Wir befinden uns im Zeitlupenmodus. Nicht nur in Europa klagen die Leute über einen zu warmen Winter, auch die Polynesier behaupten, dass die momentane Meerestemperatur von 29 bis 30 Grad einfach zu hoch ist. So manch schlaflose Nachtstunden verbringen wir im Cockpit. Landgänge unternehmen wir bereits um 06:00 Uhr in der Früh, zu dieser Uhrzeit können wir noch ohne Schweißausbruch spazieren gehen. Mit dem Dingi steuern wir durch die schmale Lücke im Riff, werfen den Anker auf eine Sandbank und steigen im knöcheltiefen, lauwarmen Wasser aus. Am Strand von Anaho ducken sich eine Handvoll Hütten unter Palmen und Kasuarinen, ein mächtiger Frangipanibaum blüht neben dem Holzkirchlein, Pferde weiden hinterm Ufer, Idylle pur.

Ein Pfad führt rüber zur nächsten Ortschaft Hatiheu, gut 200 Höhenmeter sind zu bewältigen, eigentlich ein Klacks, aber in dieser Schwüle nicht zu unterschätzen. Fortbewegungsmittel mit Rädern führen hier eher ein Nischendasein. In Anaho kann man gehen, reiten oder mit dem Boot fahren, Straßen gibt es keine. Wir marschieren los, der Weg ist von Mangobäumen flankiert, es riecht süßlich, manchmal vergoren. Seit wir auf den Marquesas angekommen sind, schwelgen wir in Mangos, diese wunderbar saftigen, gelb-orangefarbenen Früchte. Üppige Tropen! Essen im Überfluss, verhungern muss hier niemand. Wir bekommen ständig Mangos geschenkt, dass wir schon nicht mehr wissen, wohin wir sie essen sollen. Mango-Müsli, Mango-Marmelade, Mango-Curry, Mango-Kuchen, morgens, mittags, abends – Mango Mania!

Das Beste von Anaho zum Schluss: die einstündige Wanderung über einen Sattel zur östlich gelegenen Baie Haatuatua, an deren Scheitel ein ein Kilometer langer goldgelber Sandstrand wartet. Rauschende Ozeanbrandung, kühlende Brise, Seeschwalben am wolkenlosen Himmel, Krabben, die vor uns weglaufen, Babyhaie im knietiefen Wasser, kein Haus, kein Mensch weit und breit, nur wir beide. Aber jedes Glück hat einen kleinen Stich. In unserem Fall hunderte! Die schrecklich juckenden Nono-Bisse bemerken wir erst am nächsten Morgen!

Infos zu Anaho:

Die Bucht liegt an der Nordküste von Nuku Hiva, man soll auf mindestens 11 Meter Wassertiefe ankern, um das Riff zu schützen. Wie fast alle Marquesas Buchten ist auch Anaho schaukelig, die lange Pazifikdünung findet ihren Weg in jeden Winkel.

An Land befindet sich ein kleines „WC- und Duschhaus“ mit Wasserentnahmestelle, sehr praktisch für uns Segler. Es gibt eine Pension mit Restaurant, wir haben dort aber nie Leute gesehen; eine Familie verkauft Obst; in der Nachbarbucht kann man bei einer Plantage Gemüse um 300,- CPF pro Kilo erstehen. Kein Laden, der nächste ist in Hatiheu.

Unsere Ankerposition: 8 Grad 49,32´ Süd + 140 Grad 03,83´West, 16 Meter Wassertiefe, Sandgrund.