Von einem anderen Stern

01. August 2016 – Arctic Bay liegt auf keinem anderen Planeten, aber zweifelsfrei in einer anderen Welt.

Wir sind in Nunavut gelandet, dem größten und am dünnsten besiedelten Teil Kanadas. Eine mythische Wildnis aus unbewohnten Inseln, unbestiegenen Bergen, strömungsgeplagten Meerengen und dem eisigem Nordpolarmeer. Segler stehen hier vor vielen Hindernissen: Packeis, stürmisches Wetter, klimatische Extreme, tückische Gewässer, Eisbärengefahr.

Nomad ist heuer die erste Yacht, die in Arctic Bay vorbeischaut, eine der nördlichsten Ansiedlungen unserer Welt mit ca. 750 Einwohnern. Über die Bucht verteilen sich die typischen Holzhäuser der Arktis, wegen des Permafrostbodens auf niedrigen Pfählen gebaut. Dahinter beeindruckende Mondlandschaft aus Schiefer und Millionen alter Gneise vereinzelt ein paar Flecken robustes Tundragras. Ich fühle mich wie auf einem anderen Stern. Die Menschen sind entzückend, winken aus ihren Pick-Ups oder flitzen mit Quad-Bikes über die Staubstraße. Sie genießen den kurzen Sommer und haben unzählige Geschichten über Wale und Eisbären in petto. Letzte Woche näherten sich zwei Eisbären dem Dorf, einer wurde erschossen, sein wertvolles Fell ist vor einem Haus aufgespannt. Wir sollen uns nicht fürchten, meint Kassandra, in Arctic Bay sind wir sicher. Dennoch ein komisches Gefühl.

Sollte das Eis in den nächsten Tagen im Prince Regent Inlet aufbrechen, wollen wir nach Westen weiterziehen. Dies eine derzeit noch übermütig offene Frage. Wir bleiben hartnäckig am Ball, checken täglich Eiskarten und beobachten fieberhaft das Wetter. Die wichtigste Tugend der Arktissegler heißt nämlich Geduld.

P.S.: Seit Upernavik (Grönland) sind unsere Freunde Rudi und Andrea Kiener mit an Bord. Eine bessere Crew für diese Breiten können wir uns nicht vorstellen.

 

Bild: Cheers aus Arctic Bay, 73 Grad 02´ Nord + 085 Grad 10´ West, Nord-Baffin-Island