Amundsen Golf

21. August 2016 – Pures Glück. Wir haben bis jetzt keinen Eisberg gerammt, sind nicht vom Packeis eingeschlossen worden und mussten mit keinem Eisbären rangeln.

Stattdessen segeln wir bei moderaten Winden, genießen Sonnenschein und freuen uns über zweistellige Wassertemperaturen um die 10 Grad Celsius.

Wie also von den kleinen Abenteuern erzählen, die wir täglich erleben. Vom ewigen Eis, das heuer dem Klimawandel zum Opfer gefallen ist? Von der Nordwestpassage, dem legendären Seeweg, der den Atlantik mit dem Pazifik verbindet?

Wir durchsegeln eine der unzugänglichsten Regionen unserer Erde. Mit jeder Seemeile wächst das Gefühl für Weite, für Einsamkeit. Ein Geheimnis wollten wir lüften, jetzt sind wir ein Teil davon. Ich denke an die vielen Expeditionen, die hier scheiterten, an die Schiffe, die verloren gingen, die das Eis nie mehr freigab. Das macht die Gegend ehrwürdig, fast unheimlich. Eigentlich könnte man die Nordwestpassage wochenlang durchstreifen, hier ein interessanter, unvermessener Ankerplatz, dort ein Inuit-Dorf, wo Yachten sich selten hinverirren. Doch die innere Stimme meldet sich zu Wort und gibt keine Ruhe. Sie drängelt, sie quengelt. Weiter, weiter, bevor das Eis uns vielleicht doch noch die Weiterfahrt versperrt.

Das Leben fühlt sich hier sehr elementar an. Unsere Sinne sind geschärft. Nicht nur für das Wetter, die Wolken, das Licht, das Meer, die Landschaft, sondern auch für die eigene Befindlichkeit. Manchmal wird man einen Moment lang eins mit der Welt und sich selbst. Etwa wenn Narwale ganz nahe beim Boot vorbeischwimmen, wenn eine Robbe neugierig ihren Kopf aus dem Wasser steckt und die Sonne blutrot im Meer versinkt. Wenn das Wasser des Polarmeeres rauschend und gluckernd am Rumpf unserer Nomad vorbeizieht. Oder wenn wir ehrfürchtig vor dem Wrack der Maud stehen, Roald Amundsens drittes und letztes Schiff. Manchmal ist die Fahrt aber auch ein Wettlauf mit dem Wetter, mit der Zeit, dessen Sieger schon vorher feststeht ...