Sein, wo man ist

2. November 2017 - Am Ende jeder Reise beginne ich zu reflektieren. Spüre dem nach, was wir in den letzten Monaten erleben durften.

Früher war ich der Meinung, dass mit dem Nachhausekommen, die gute Zeit vorbei sei und nun die nicht so spannende Pflichtkür vor uns liege.

Mittlerweile ist das Zuhausesein für mich kostbar geworden. Eine kleine Erdgeschosswohnung zu haben, in die man jederzeit zurückkommen kann, ein Ort, der einen mit offenen Armen empfängt und wo Nachbarn und Freunde zu einem sagen: "Schön, dass ihr wieder da seid!" Das tut der Seele verdammt gut. Ich mache es mir nun zur Aufgabe, den Alltag in Österreich wertzuschätzen. Ihn nicht mehr nur zwischen unsere Segelreisen zu pressen, sondern auszukosten als das, was er ist - als Heimat.

Vorbei ist die Zeit der grindigen Hafenduschen mit wackeligen Armaturen, mit nur siedend heißem Wasser oder nur eiskaltem Wasser, vorbei die Zeit der stinkend miefigen Kleidung, vorbei auch das schwammige Weißbrot. Jetzt geht´s ans Auspacken, Wäsche waschen, Emails beantworten mit WLAN, das immer funktioniert. Aus unserem grünen Seesack nehme ich ein angeschwemmtes Holzstück aus Fort Ross, einen flachgepressten Stein vom Strand in Tuktoyaktuk, Muscheln aus Summer´s Harbour - Souvenirs, die mich spüren lassen, wie es sich gestern noch anfühlte - in der kanadischen Arktis und in Alaska.

Zurzeit sitze ich in unserem Mini-Büro an einem Schreibtisch von knapp einem Meter Länge. Wolfi arbeitet neben mir und sortiert Fotos für einen neuen Vortrag. Ich fange an, unser drittes Buch zu schreiben - natürlich über die Nordwestpassage. Das Schreiben hilft mir, noch ein kleines bisschen länger unterwegs zu sein, der Flüchtigkeit zu trotzen. Nicht in Gedanken gleich wieder abzureisen und auch nicht mit der Vergangenheit auf ewig verhaftet zu bleiben. Die Kunst, anzukommen. An einem, nur einem Ort zur selben Zeit zu sein. Ihn mit allen Sinnen wahrzunehmen. Die Kunst zu sein, wo man ist.

Unsere Enkeltochter Lucy-Eliane Miller-Slanec! Stolzer Opa Wolf in Toronto!