Roadtrip 2 - Take a look at the wild side

25. Juni 2017 - "Zu den Bugaboos wollt Ihr?", fragt uns Josh im Visitor Center von Radium Hot Springs kopfschüttelnd.

"Keine Chance, Ihr seid zu früh im Jahr dran, sorry. Zu viel Schnee da oben und außerdem Lawinengefahr!" Zurück beim Auto lasse ich mich auf dem Beifahrersitz nieder und seufze. Wolf dreht sich zu mir und in seinem Gesicht kann ich lesen, wohin er unseren Wagen lenken wird. In Brisco biegen wir links ab, überqueren den Columbia River und rütteln über 50 Kilometer auf einer Schotterpiste einer anderen Welt entgegen. Die Bugaboos: Das ist Kanada abseits von Touristen-Trampelpfaden.

Der Wald riecht feucht, die Sonne kriecht durch die Zweige, leichter Nebel liegt über unserem Camp. Wir sind ganz allein, von so einem Platz haben wir immer geträumt. Endlich angekommen. Unter uns ein grüner Fluss, dahinter türmen sich Gipfel aus hartem Granit von Gletschern umflossen. Nachts umwickeln wir unser Auto mit Drahtgitter, das hier überall herumliegt und sichern es mit Pflöcken und Steinen. Stachelschweine mit Heißhunger auf Gummischläuche und Bremsflüssigkeit haben in dieser Gegend schon so manches Fahrzeug lahmgelegt. Natürlich zieren unzählige feine Kratzer den weißen Lack unseres nagelneuen Mietwagens.

Am Talende liegt unwirklich - wie eine Oase - die Bugaboo-Lodge. Hier schrieben zwei österreichische Bergführer Pioniergeschichte. Hans Gmoser und Leo Grillmair gründeten Ende der 1960er Jahre die erste Heliski-Lodge Nordamerikas. Das rustikale Berghotel ist derzeit wegen Wartungsarbeiten geschlossen, dennoch gibt uns Manager Dave eine Führung durch dieses ehrenwerte Haus und lädt uns ein, eine Nacht zu bleiben. Atemberaubende Aussicht von unserem Zimmer: Wir blicken auf den Bugaboo-Gletscher, der aussieht, als stürze er sich wie ein reißender Fluss den Berg hinunter. Mittendrin thront wie ein Fels in der Brandung der Granitmonolith Hound´s Tooth.

Früh am nächsten Morgen lässt die Sonne zart ihre Strahlen über das ewige Eis streichen. Wir steigen über steiles, ausgesetztes Gelände rauf zur 2200 Meter hoch gelegenen Conrad Kain Hütte. Die letzte halbe Stunde mühen wir uns durch kniehohen Schnee. In der geräumigen Selbstversorgerhütte herrscht eine Stille, die man mit allen Sinnen zu erleben glaubt, die man fühlt, hört und sieht - eine Stille so fremd wie die Welt, aus der heraus sie klingt. Auch Conrad Kain kam aus Österreich, und zwar aus Naßwald an der Rax. 1916 bestieg er als Erster den schwierigen Bugaboo Spire. Ehrfürchtig wandert unser Blick zu diesem kolossalen Plattenpfeiler.

Zum Abschluss unseres Roadtrips müssen wir unbedingt zum höchsten Berg der kanadischen Rockies, dem 3954 Meter hohen Mount Robson, dessen Erstbesteiger - wie könnte es anders sein - Conrad Kain 1913 war. Sein mächtiger Anblick erinnert an einen Himalaya-Riesen, über 3000 Meter schwebt der Eisgipfel über dem Fraser River. Noch vor dem ersten Klingeln des Weckers liege ich hellwach im Auto. Die Sonne ist bereits aufgegangen, der Himmel strahlend klar. Wir wollen zum Fuß des Giganten, zum Berg Lake, einem türkisen See, in den ein Gletscher kalbt. An und für sich ein Zweitagesunternehmen. Da wir leider kein Zelt dabei haben, entscheiden wir uns für einen eintägigen 40 Kilometer Marathon. Eine ziemliche Zumutung für unsere Seglerbeine. Die Großartigkeit dieser Wanderung kann ich schwer in Worte fassen, das würde den Rahmen dieses Blogs sprengen. Als wir am Abend total erschöpft am Campingplatz ankommen, dusche ich heiß und spüre in jeder Zelle meines steifen Körpers: Sie wird verdammt wehtun, diese Gewalttour.

Morgen fliegen wir nach Inuvik, unsere Pullover werden noch nach Lagerfeuer riechen, an den Sohlen unserer Bergschuhe wird die Erde der Rockies kleben und wir werden voller Vorfreude sein. Auf unser Boot, unser zweites Zuhause, auf die Arktis. Und darauf, irgendwann wieder hierher zu kommen, in die Rocky Mountains. Dream big!

 

 Mount Robson, die Mutter der Rocky Mountains