9. Vertraut und fremd

Zurück im Mittelmeer erreichten wir am 22. Juli 1997 die kleine, südlich von Sizilien gelegene Insel Lampedusa.

Das wäre an sich nichts Besonderes, doch genau hier kreuzten wir unsere alte Kurslinie– wir hatten somit die Erde umsegelt! Ohne es jemals geplant zu haben, schipperten wir beinahe zufällig rund um den Globus. Wir wollten keine Rekorde brechen, es war eine Reise für uns und zu uns! 40 kleine Flaggen wehten unter Susi Q`s Backbordsaling zur Feier des Tages und zur Erinnerung an 40 bereiste Länder und an 43.000 zurückgelegte Seemeilen. Die Freude darüber wich schnell der Trauer, dass sich unsere Reise dem Ende näherte. Ein Blick in die leere Bordkassa bestätigte dies vehement. Wir verfügten weder über Sparbuch, Polizze noch andere Sicherheiten, doch unser Reichtum war die Erinnerung an unsere gemeinsamen Jahre auf Susi Q und die Gewissheit, miteinander die schönste und intensivste Zeit unseres Lebens verbracht zu haben.

Epilog 1999:

Das Salz unserer Reise ist längst abgewaschen. Seit zwei Jahren bewohnen wir im siebenten Wiener Gemeindebezirk eine kleine laute Stadtwohnung und arbeiten wieder als Bautechniker und Fremdsprachensekretärin. Wir fühlen uns fremd in einer Welt, die bestimmt wird vom Haben und Besitzen. Es fällt uns schwer wieder Tritt zu fassen im Getriebe der Konvention – Termine planen statt den Augenblick genießen, sich der Bürokratie unterordnen statt den Gesetzen der Natur gehorchen.

Es gibt jetzt Tage in der Stadt, an denen das Fernweh und die Sehnsucht nach dem Bootsleben unermesslich werden. Tage, an denen wir träumen, dass unser Schiff wieder über die unendliche Weite des nächtlichen Ozeans gleitet, und wir uns sogar die anstrengenden Nachtwachen im Dreistunden-Rhythmus wünschen. An einem dieser Tage werden wir wieder die Kraft besitzen, aufzubrechen und frei zu sein ...

Hafen von Rovinj, Kroatien