6. Ozeanien

Im November 1994 lichteten wir Anker mit Kurs West! Über Venezuela erreichten wir Panama, wo uns der gleichnamige Kanal in den Pazifischen Ozean ausspuckte.

Von den Galapagos-Inseln brachen wir zur längsten Etappe auf, die man während einer Weltumsegelung auf der Passatroute zurücklegen kann – 3.000 Seemeilen oder 5.500 Kilometer freier Ozean lagen vor uns! Im Gegensatz zur Atlantiküberquerung, bei der wir noch ungeduldig nach der heiß ersehnten Ankunft fieberten, waren wir jetzt viel gelassener und ruhiger, verfügten aufgrund unserer Erfahrungen über mehr Vertrauen in uns und unser Schiff. Außerdem hatten wir gelernt, uns der Natur unterzuordnen. Ganz selbstverständlich passten wir uns dem Rhythmus des Ozeans und dem Rhythmus des Windes an, egal ob Sturm oder Flaute, ob meterhohe Wellen oder spiegelglattes Meer. Vielleicht konnten wir deswegen auch diese Überfahrt in die Südsee wirklich genießen. In einem Brief an meine beste Freundin schrieb ich damals folgende Zeilen: „Das Sonderbare ist, wie deutlich man sich an die Tage auf See erinnert. Ich glaube es liegt daran, dass auf See alles so langsam geht. Man hat Zeit für Eindrücke...“ Zeit, die hatten wir wirklich im Überfluss. Zeit die letzten Reiseerlebnisse zu verarbeiten, Zeit, uns auf neue Ziele und Kulturen vorzubereiten, Zeit zum Lesen, Musikhören und Zeit für uns selbst sowie für die Zweisamkeit – und wer kann das in unserem gestressten Alltag heute noch behaupten?

Nach 24 Tagen auf See erreichten wir die Südsee! Nie werde ich dieses intensive Empfinden der Ansteuerung zu den Marquesas-Inseln vergessen. Hier schien die Natur kräftiger, mächtiger und doch lieblicher als anderswo zu wirken. Auf einem Kurs mit vielen Zacken und Schleifen stöberten wir über ein Jahr lang durch die polynesische und mikronesische Inselwelt. Der Weg war das Ziel, wo es uns gefiel, machten wir Halt. Je weiter wir uns von der Zivilisation entfernten, desto unabhängiger und zufriedener wurden wir. Die Insulaner zeigten uns, wie man aus Kokosnüssen, Brotfrüchten und Taro köstliche Gerichte zaubert. Mit dem Sonnendach sammelten wir während der tropischen Regengüsse ausreichend Süßwasser für unsere nur 250 Liter fassenden Wassertanks. Auf den hohen Inseln standen ausgedehnte Wanderungen zu Urlandschaften aus Dschungel, grünen Tälern und Wasserfällen am Programm, um unsere wackeligen Seebeine zu trainieren. Das Sammeln von Muscheln und Schnecken entpuppte sich als große Leidenschaft und fasziniert von der schweigenden Unterwasserwelt schnorchelten wir stundenlang im Universum der Riffe, wo die Natur an Farben, Mustern und Formen mehr ausprobiert hat, als menschliche Phantasie je ersinnen könnte. Der Häuptling eines Dorfes in Samoa adoptierte uns und seitdem haben wir auch Familie in der Südsee! Eines Tages ankerten wir in Kiribati vor einem Dorf, wo noch nie zuvor eine Yacht vorbeigekommen war. Hier und auf anderen abgelegenen Atollen wurden wir mit Blumenkränzen und Muschelketten begrüßt und verabschiedet und nach dem Besuch der letzten Sternennavigatoren kreuzten wir gen Süden durch die indonesischen Molukken nach Darwin, Australien.

Mopelia Atoll, Französisch Polynesien, 1995