Sea to Sky

27. Juni 2019 - Ich würde gerne schreiben, dass sich bei der Abfahrt von der Canoe Cove - Nomads Winterlager -

sofort das große Gefühl der Freiheit eingestellt hat. Aber nach der Schufterei in der Werft sind wir einfach nur erschöpft und lassen es langsam angehen. Bummeln in den Gulf Islands von Ankerplatz zu Ankerplatz, von Insel zu Insel. Dann queren wir die Strait of Georgia rüber zum Festland. Nach nur wenigen Seemeilen mit Nomad habe ich die letzten Wochen fast vergessen. Unsere Reise geht weiter! Das fühlt sich verdammt gut an!

Obwohl der 24/7-UKW Wetterbericht ständig vor Starkwind im Howe Sound warnt, zieht es uns magisch in diesen Fjord, an dessen schiffbaren Ende Squamish liegt. Heute ein modernes Städtchen für Outdoorfreaks, früher eine eher schäbige Holzfällerstadt. Wir vertäuen Nomad am äußersten Schwimmsteg des kleinen Hafens und schultern unsere Rucksäcke. Ziel unserer Begierde ist eine 700 Meter hohe Granitfelsenwand, genannt "The Chief". An der Rückseite des imposanten Monolithen führen steile Wanderwege zu den drei Gipfeln. Der Ausblick ist berauschend. Tief unter uns liegt die Stadt, der blassgrüne Fjord, Nomad am Steg. Kitesurfer tummeln sich vor dem Squamish Spit - sie heben zu Sprüngen ab, zähmen Luft und Wasser und hängen sekundenlang dazwischen - befreit von beiden! Warum segeln wir über Ozeane? Warum gehen wir in die Berge? Hier oben weiß ich es ganz genau: Um uns zu beweisen, dass wir am Leben sind!

Zeitig am nächsten Morgen macht der Howe Sound seinem windigen Ruf alle Ehre. Eine steife Nachtbrise von 25 Knoten pustet uns raus aus dem Fjord, wir fliegen Vancouver City entgegen. Unser Anker fällt im False Creek neben "Miqmaq", einem roten, 35 Fuß langen Fischtrawler aus Nova Scotia. Seine Besitzer Eva und Uwe kennen wir seit vielen Jahren, sie waren in ihrem früheren Leben mit dem sportlichen Katamaran "Quinuituq" unterwegs und bereisen nun seit sechs Jahren mit dem Motorboot die Ost- und Westküste Nordamerikas. Uwe, der in den letzten Wochen von Alaska hierher fuhr, ist derzeit alleine an Bord. Seine Eva fliegt am Samstag von Österreich nach Vancouver und nimmt unseren neuen Hydraulikzylinder mit! Warum ich das erzähle? Weil auf einer Reise nichts planbar ist. Nichts läuft nach Schema F ab. Es sind die vielen kleinen Momente, die eine Reise in Wahrheit ausmachen. Es sind die Zufälle, die Umwege. Und es sind die vielen großen Herzen, die uns immer wieder helfen.

Spektakulärer Großstadtankerplatz im False Creek, Vancouver