Who`ll stop the rain?

25. Mai 2018 - Alles nass, alles grau - seit Tagen, nein seit drei Wochen regnet es. Wieder zieht ein Guss über Nomad hinweg,

die bombensicher in der großen Cedar Bay vor Anker liegt. Wir begehren, was wir nicht haben. Strahlend blauen Himmel und sommerliche Wärme zum Beispiel. Kaiserwetter ist im Prince William Sound derart selten, dass wir uns umso mehr danach sehnen. In Nomads gemütlicher Kajüte lauschen wir dem Regen, der sachte aufs Deck prasselt. Manchmal setzt das Geräusch aus, dann legt es erneut zu. Nomad liegt in völliger Stille auf dem Wasser. Regungslos. Die Bucht ist getüpfelt. Mal große, mal kleine Tropfen. Wasser von oben, Wasser unten. Als würden Regen und Meer sich vermählen wollen. Plötzlich entwickelt der Regen Wut, er hämmert auf Aufbau und Luken. Es gießt in Strömen, breite Rinnsale von Süßwasser bilden sich auf den Seitendecks. Ich blicke eine Weile aus dem Fenster. Das Gefühl völliger Unabgelenktheit. Ein seltener Frieden liegt in der Stimmung. Draußen im Golf von Alaska wütet das Meer, und wir liegen hier wie in Abrahams Schoß, im Gewirr der abertausend Inseln und Buchten des Prince William Sounds.

Auf einmal verebben die Geräusche und es hört auf zu schütten. Blitzschnell nutzen wir die Regenpause und tuckern mit dem Dingi an Land, durchstreifen in unseren Xtra Tufs das triefende Gelände. Diese kultig braunen Gummistiefel sind im feuchten Regenklima unverzichtbar. Sie wurden ursprünglich in den 1960er-Jahren für die Fischerei-Industrie im pazifischen Nordwesten entwickelt. Heute sind sie ein alaskanisches Markenzeichen, die gerne und überall getragen werden. Outdoors genauso wie in Bars oder im Supermarkt. Wir erklimmen einen Bergkamm, schrecken eine Gans auf, versinken immer wieder im sumpfigen Moos, weiter oben im Schnee, hören das Rauschen eines Wasserfalls und dann erblicken wir das Ziel unseres Kurzausflugs: einen riesigen, immer noch zugefrorenen See. Ein bezauberndes Stück Natur breitet sich vor uns aus. Leichter Wind kommt auf, Regentropfen tanzen auf uns herab, die Landschaft verliert ihre Konturen, Berge und Bäume sind nur mehr als schwache Schemen zu erkennen. Wir rutschen den Hang wieder runter, suchen kurz nach unserem Dingi und düsen retour zum Boot.

Wird der Regen je aufhören, frage ich mich? Die Wildnis wahrt ihre Geheimnisse. Die Stille, die uns an Bord empfängt, ist gewaltig. Die Weite der Bucht, die Einsamkeit haben Gewicht. Deswegen sind wir hierhergekommen. Diese menschenleere Gegend zählt die Tage nicht. Herrlich. Wir vertrödeln die Zeit. Wolf stöbert durch sein Musikarchiv und spielt CCR, die Lieblingsband seiner Jugend, am Laptop. John Fogertys unverkennbare Stimme krächzt aus den Lautsprechern: Who´ll stop the rain ...

Cedar Cove, Prince William Sound