On the boat again

13. Juli 2017 - Inuvik im Mündungsdelta des Mackenzie Rivers und ganz weit oben in den kanadischen Northwest Territories

ist kein Ort, an dem man zufällig vorbeikommt, auch keiner der einen Schönheitspreis gewinnen würde. Ich mag solche Orte, die jeden Anspruch und jede Koketterie aufgegeben haben, Orte, die sich an eine fixe Idee klammern und darauf warten, dass die Zeit ihnen recht gibt. Das schnelle Geld, die Fertigstellung des Dempster Highways bis rauf nach Tuktoyaktuk ,die Rückkehr der Touristen, niemand weiß genau, worauf sie eigentlich warten. Inuvik trotzt seinem eigenen Verfall und arrangiert sich mit der Einsamkeit.

Seit Mitte September letzten Jahres steht unsere Nomad am Ufer des großen Flusses bei der Northwind Werft. Wir sind mehr als erleichtert, als wir sie unversehrt vorfinden, sogar der Schlamm vom Herbst klebt noch an den Trailerrädern. Bedanke mich beim Boss, Kurt Weynman, dass unser Boot die zehn Monate unbeschadet überstanden hat. "Nobody touches anything in my boatyard!" meint er grinsend. Über Kurt kursieren viele Geschichten, er ist halb Gwitchin Indianer und halb Inuit und erinnert an einen großen Häuptling. "Niemand in Inuvik verscherzt es sich mit Kurt, denn dann hast Du ausgespielt!", erzählt uns Willi, der die Schiffswerft managt. Kurts großes Business ist der Bau der Straße nach Tuktoyaktuk, wo der Kontinent endet. Diesen Oktober soll sie eröffnet werden. Die Arbeiten wurden vor allem im Winter durchgeführt, denn im Sommer - wenn der Permafrostboden aufbricht - würde man im Schlamm versinken. Kurt steigt aus dem Auto und humpelt, ich frage ihm, was passiert sei. "I broke my leg this winter really badly!" Für ein Filmteam ist er mit seinem schweren Schneemobil eine Klippe heruntergesprungen und hat sich dabei schwer verletzt. Das wird ihn im kommenden Winter sicherlich nicht daran hindern, wieder Vollgas zu geben und mit seinem Schneemobil von einer vom Wind gehärteten Schneewehe zur nächsten zu fliegen. Dann berauscht er sich an der Einsamkeit und an der Geschwindigkeit, dann erforscht er das Nichts und das Gefühl, allem zu entkommen.

Zwei Wochen lang werkeln wir vor uns hin, verrichten die üblichen Wartungsarbeiten ohne Hatz und Eile, denn die passen in dieser Gegend gar nicht. Kosmetik für Nomad verschieben wir auf den nächsten Werftaufenthalt. Hier in diesem Staub und Dreck ohne Wasser- und Stromanschluss gibt es keine perfekten Lackanstriche, keine makellosen Oberflächen, kein glattes Unterwasserschiff. Wir beschränken uns auf das Allerallernotwendigste. Dafür endlose Tage und keine Nächte, was auf Dauer ziemlich schlaucht. Wir reinigen Deck und Rumpf mit Pfützenwasser, da wir jeden Liter Wasser von der vier Kilometer entfernten Stadt anschleppen müssen. Unnötig zu erwähnen, dass wir auch ohne Klo und Dusche auskommen. Alle paar Tage checken wir daher im Happy Valley Campground ein, benützen unseren Zeltplatz zwar nicht, dürfen aber duschen und Wäsche waschen. Und ab und zu gönnen wir uns ein Abendessen bei Alestine´s. Brian kocht in einem alten, gelben Schulbus, seine Frau Pam serviert  Lachs, White Fish, Rentierchili oder Burger, herrlich einfach - einfach herrlich. Damit haben wir gar nicht gerechnet: Wir schwitzen hier im Norden, messen 30 Grad in der Kajüte! Der arktische Sommer ist kurz und flüchtig und ab Mitte August kann es schon wieder schneien!

Am 8. Juli wird Nomad - diesmal ganz sanft - zurück in ihr Element geschubst. Jetzt schwimmt sie wieder unsere treue Gefährtin! Vertäuen sie längsseits an der Barge John Wurmlinger, erledigen die letzen Arbeiten und scharren in den Startlöchern. Leider hat die kanadische Coastguard die Markierungsbojen im Mackenzie River noch nicht ausgebracht, so verspricht die Reise flussabwärts recht kniffelig und spannend zu werden. Ein größeres Schiff und eine Barge sind an der Flussmündung bereits im Schlamm stecken geblieben. Bleibt nur zu hoffen, dass unsere alte Kurslinie am Plotter hält was sie verspricht, doch Sandbänke verändern bekanntlich gerne ihre Position ...

 

 Nomad wird nach 10 langen Monaten wieder in ihr Element geschubst.